Wintertrendanalyse 2024/2025: ein weiterer Mildwinter kündigt sich an

In Zeiten des Klimawandels mit rasant voranschreitender Erderwärmung werden dem Winterfreund immer mehr Geduld und Bescheidenheit abverlangt. Im Alpenraum beträgt die Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit mittlerweile knapp über 2 K, wobei ein überproportionaler Anstieg in den letzten Jahrzehnten erfolgt ist. Nur mehr im Bergland oberhalb 1500m wird der Winter seinen Namen gerecht. Die Tage mit Schneedecke im Tiefland konvergieren gegen Null und haben sich auch in mittleren Höhen um 1000m halbiert. Dieser Trend wird sich unvermindert fortsetzen.

 

Im vergangenen, extrem milden Winter herrschten im tropischen Pazifik El-Nino Bedingungen. Dieses alle paar Jahre wiederkehrende Wetterphänomen ist gekennzeichnet durch eine positive Temperaturabweichung des Oberflächenwassers im tropischen Pazifik, einen Wärmeeintrag in die Atmosphäre, massiven Auswirkungen auf Wettergeschehen in der pazifische Region und über Telekonnektion auch Beeinflussung der klimatischen Bedingungen in weiter entfernten Gebieten (z.B. Afrika, Sahel-Zone).
Für den heurigen Winter werden La-Nina Bedingungen, leicht unterkühlte Temperaturen des Oberflächenwassers im tropischen Pazifik, vorhergesagt (Details dazu im Beitrag).  Trotz des damit verbundenen fehlenden Wärmeeintrages in die Atmosphäre wird dies (s.u.) einen weiteren Mildwinter nicht verhindern!

Im Gegensatz zu meinen Wintertrendanalysen der letzten Jahren, in denen ich Telekonnektionen –  Auswirkung von Wettervorgängen in fernen Gebieten auf unser Wetter – zur Einschätzung genau  analysierte, verzichte ich diesmal auf die aufwendige Ausarbeitung dieses Blicks über den Tellerrand. Die Erderwärmung der Atmosphäre und der umgebenden Meere überlagern diese Einflussfaktoren.

Der folgende Beitrag mit meiner Wintertrendanalyse 2024/2025 ist in 3 Abschnitte gegliedert:

– Wintereinschätzungen der experimentellen Langfristmodelle und kompetenter Wissenschaftler,
– Ausgangszustandes der Atmosphäre und der Ozeane  zu Winterbeginn inkl. Analyse des PW (Polarwirbel),
– Resümee mit meiner persönlichen Wintereinschätzung. 

 

1. Experimentelle Langfristmodelle:

Die Multimodellrechnung – Durchschnitt über die wichtigsten Modelle (EZ, CFS/NCEP, DWD, MetOffice, MeteoFrance ….) – zeigt fast auf der gesamten NH deutlich überdurchschnittliche Temperaturen bezogen auf das Klimamittel 1991-2020:

 

Im Geopotentialfeld und im Jetstreamniveau werden vom Nordpazifik über die südl. USA und den mittleren NA bis ME und Sibirien überdurchschnittliche Druckwerte simuliert:

Die berechneten NS-Mengen für Europa fallen von der Iberischen Halbinsel bis zum Alpenraum unterdurchschnittlich aus, während von Island/Schottland bis Skandinavien überdurchschnittliche NS-Mengen erwartet werden. 

 

Dies spricht für wiederholte NS-arme Hochdrucklagen, die vor allem in höheren Lagen und im Bergland überdurchschnittlich hohe Temperaturen verursachen, während sich in Tal- und Beckenlagen Inversionslagen mit bodennahen Kaltluftseen ausbilden können.

Die gezeigten Prognosen der experimentellen Langfristmodelle passen grundsätzlich zu den im Winter erwarteten „La-Nina“-Bedingungen im tropischen Pazifik und dem damit verbundenen Zirkulationsmuster und  Auswirkungen auf den nordamerikanischen Kontinent:

 

Über dem Atlantik wird das La-Nina Signal von den dort herrschenden Strömungsverhältnissen und Meeresbedingungen überlagert. Statistisch gesehen sind die Auswirkungen auf Europa nur sehr gering und sie korrelieren am ehesten mit verstärktem Einfluss eines Azorenhochkeils auf den Alpenraum.

Kurze winterliche Wetterabschnitte werden im Winter 2024/2025 auftreten (NW-Lagen), aber sie werden durch Phasen mit deutlich überdurchschnittlichen Temperaturen (W/SW-Lagen) in den betrachteten Mittelwerten kompensiert.

Die einzelnen Modelle weichen kaum voneinander ab. Betrachtet man die einzelnen Monate, so wird für den Dezember eine deutlich geringere positive Temperaturabweichung simuliert, als für die beiden folgenden Wintermonate.

Die Simulationen der einzelnen Modelle sind auf der Copernicus-Plattform einsehbar. Der Kartenausschnitt, betrachtete Monate und unterschiedliche Parameter sind dabei frei wählbar.

Der amerikanische Atmosphärenwissenschaftler Judah Cohen, der die Einschätzung des Winterwetters auf der NH (nördliche Hemisphäre) vor allem von den Vorgängen im PW (Polarwirbel), der Kopplungen zwischen Stratosphäre und Troposphäre und der AO (arktische Oszillation) ableitet, erwartet für den Winter in europäischen Raum ebenfalls deutlich überdurchschnittliche Temperaturen:

2. Ausgangszustandes der Atmosphäre und der Ozeane  zu Winterbeginn inkl. Analyse des PW:

Der Temperaturüberschuss in der Atmosphäre der NH, der 2022 abrupt einsetzte und unter Umständen mit dem Ausbruch des Unterwasservulkans Hunga Tonga zusammenhängt, setzte sich auch 2024 fort und wird aller Voraussicht im kommenden Winter anhalten:

 

Auch der NA weist nach wie vor ein deutlich überhöhtes Temperaturniveau auf:

 

Sämtliche Ozeane/Binnenmeere, die Europa umgeben sind aktuell zu warm. Luftmassen, die Europa erreichen, überströmen zuvor diese warmen Wassermassen und werden dadurch erwärmt. Kühler ist nur der Bereich SO-lich von Grönland, was vermutlich dem Schmelzwassereintrag geschuldet ist. Im Gradientenfeld zum im S anschließenden warmen NA ist erhöhte Tiefdrucktätigkeit mit u.U. einer weit nach N verschobene Frontalzone zu erwarten:

Quelle: NOAA

 

In meiner letzten Wetteranalyse bin ich auf die zu erwartende Entwicklung in  der ersten Dezemberwoche und dem Potential einer winterlichen Wetterphase in der zweiten Dezemberwoche mit Atlantikblock und Trog von Skandinavien über den Alpenraum bis ins Mittelmeer bereits eingegangen.
In den aktuellen Modellrechnungen wird dieser Trend sowohl vom amerikanischen GFS (sieh nachfolgende Karten), als auch ähnlich vom europäischen IFS weiterhin simuliert:

 

Rasch soll der Trog durch das „kippende“ Atlantikhoch, das sich über eine Hochdruckbrücke über Südskandinavien mit dem Kontinentalhoch verbindet, abgeschnürt werden. Die Druckverhältnisse ähneln dann einer „High-over-Low“ Lage, wobei der Alpenraum bei frühwinterlichen Temperaturen im Einfluss des Höhentiefs über dem Mittelmeer bleiben dürfte:

 

Natürlich ist es noch sehr spekulativ, die konkreten Auswirkungen dieser Entwicklung auf den Alpenraum vorherzusagen.
Ein frühwinterlicher Wettercharakter mit vielen Wolken, zeitweisen Schneefällen bis weit runter und nasskalten Verhältnissen im Flachland wären für mich plausibel.
Der viel größere Schneebringer für den Alpenraum wäre aber die weitere Entwicklung, sofern sie so kommt. Eine fortschreitende Zonalisierung über dem NA verlagert den Trog nach O, die Ostalpen gelangen an seiner Westflanke in eine feuchtkühle NW-Strömung:

 

Bis 13. Dezember werden im aktuellen GFS-Modelllauf im Mittel über alle Ensemblerechnungen für die westl. Nordalpen und die Zentralalpen z.T. über 50cm Neuschnee berechnet:

 

Trotz aller Unsicherheiten, halte ich die Wahrscheinlichkeit für einen frühwinterliche Wetterphase für die zweite Dezemberwoche für sehr hoch!

Der Vertikalschnitt des PW zeigt sich zu Winterbeginn in der Stratosphäre sehr gut ausgeprägt und weist eine zentrierte Form auf. In der Troposphäre dagegen erstreckt sich das Hauptfragment von Nordkanada bis Mittelsibirien. Im europäischen Sektor dominiert hohes Geopotential:

 

Die Berechnung für den Beginn der zweiten Dezemberdekade zeigt nach wie vor einen gut entwickelten PW in den oberen Stockwerken und lässt in der Troposphäre den Atlantikblock mit den Trog von Skandinavien bis zum Alpenraum erkennen:

Quelle: stratobserve

 

3. Resümee mit persönlicher Wintereinschätzung:

Ich erwarte im Winter 2024/2025 eine mittlere positive Temperaturabweichung von 1 1/2 – 2 K!
Dies liegt über den prognostizierten Werten der experimentellen Langfristmodellen, ich vermute dies aber aufgrund der herrschenden hohen Temperaturabweichungen in der Atmosphäre und den umgebenden Meeren, insbesondere dem NA.
Die NS-Mengen dürften, vor allem im Vergleich zum letzten Winter deutlich geringer bis leicht unterdurchschnittlich ausfallen. Hochdrucklagen durch einen Azorenhochkeil erwarte ich im kommenden Winter als eine häufig auftretende GWL.

Kurze winterliche Wetterabschnitte werden im Winter 2024/2025 zwar auftreten (NW-Lagen), aber sie werden durch Phasen mit deutlich überdurchschnittlichen Temperaturen (W/SW-Lagen) in den betrachteten Mittelwerten kompensiert.

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