Bezugnehmend auf die Überschrift meines letzten Beitrages „Vorfrühling oder Spätwinter“ und nach Analyse der letzten Modellrechnungen sieht es nach “ weder noch“ aus! Die Temperaturtendenz geht zwar schrittweise etwas nach unten, aber im Mittel bleiben die Durchschnittswerte in der bevorstehenden Woche weiterhin im leicht überdurchschnittlichem Niveau. Die Luft kommt weiterhin vom viel zu warmen Atlantik und ist damit nicht „wintertauglich“ bis in die Niederungen.
Auch der Blick in die Glaskugel – Ende Februar bis Anfang März – zeigt keinen nachhaltigen (spät-)winterlichen Wetterabschnitt mit einer Schneedecke bis in tiefe Lagen. Lediglich das Bergland dürfe mit Neuschnee versorgt werden.
In Meinen letzten Analysebeiträgen bin ich mehrmals auf die Vorgänge in der Stratosphäre eingegangen. PW-Störungen (Polarwirbel) in der Stratosphäre haben bei ihrer Ausbreitung in die Troposphäre mehr oder weniger große Auswirkungen auf die Zirkulation in der NH (nördliche Hemisphäre) und damit auf das Wetter. Die Erfassung dieses vertikalen Prozesses (downward propagation) führt bei den Wettermodellen häufig zu großer Volatilität in den Berechnungen ab dem Mittelfristzeitraum.
Das seit Wochen simulierte Warming in der Stratosphäre fällt schwächer aus, als von manchen Modellläufen zeitweise berechnet. Es wird die Kriterien eines MW (Major Warming) nicht erfüllen und somit nur ein „Minor Warming“.
Eine, für den Transfer polarer Luftmassen bis ME notwendige Atlantikblockade mit Keil bis in die Polarregion kann sich nicht nachhaltig etablieren. NOAI (nordatlantischer Oszillationsindex) und AOI (arktischer Oszillationsindex) tendieren nach den letzten Vorhersagen zu neutralen oder leicht positiven Werten. Das Warming in der Stratosphäre fällt schwächer aus, als in manchen Modellläufen berechnet. Es wird die Kriterien eines MW nicht erfüllen:
– Plötzlicher Anstieg der Temperatur in 10hPa (ca. 32km Höhe) in wenigen Tagen um mehr als 50 K,
– Zonalwindumkehr in 60° N von W auf O über mehrere Tage.
Bei einem MW kommt es i.d.R. nach 1- 2 Wochen Verzögerung zu einer nachhaltigen Störung bis Zusammenbruch des troposphärischen PW und mit der Mäandrierung des Jetstreams zu nachhaltigen Ausbrüchen polarer Kaltluftmassen in südliche Breiten der NH. Dort wor dies passiert, häufig über EU und Nordamerika stellt sich eine winterliche Wetterphase ein.
Nach aktuellen Stand bleibt es bei einem Minor Warming. D.h. der Energietransfer von der Troposphäre in die Stratosphäre – ausgelöst durch das kräftige Uralhoch – führt zwar zu einer Erwärmung und Schwächung in der Stratosphäre, aber der Impuls in die Troposphäre ist nicht nachhaltig. Dazu wäre ein MW-Ereignis erforderlich. Atmosphärenwissenschaftler wie z.B. Judah Cohen sprechen bei einem derartigen Kopplungsereignis zwischen Troposphäre und Stratosphäre von einen TST- Vorgang. Bei diesem wird die Energie, die von der Troposphäre in die Stratosphäre durch eine Blockinglage abgelenkt wird, umgehend in die Troposphäre zurück reflektiert. Die Auswirkungen auf das Wetter sind zwar vorhanden (vorübergehender PW-Split, siehe letzter Beitrag) aber von begrenzter Dauer. Die Meridionalisierung der Zirkulation und die damit verbundene kühlere Wetterphase im Alpenraum wird nach letzten Simulation bald wieder von einer Zonalisierung abgelöst. Damit erfolgt die Rückkehr zur Zufuhr von Luftmassen vom ungewöhnlich warmen NA (Grafik siehe letzter Beitrag).
Synoptische Analyse:
Aktuell und in den kommenden Tagen herrscht über dem östlichen NA zwischen einem Tiefdruckkomplex südl. von Grönland und einem Keil des Azorenhochs, der bis zum Alpenraum reicht, eine SW-liche Grundströmung. In den Ostalpen herrscht dabei ein wechselhafter Wettercharakter mit einem Wechsel zwischen kühlerer NW-Strömung und föhniger SW-Strömung.
Heute Sa quert dabei eine schwache Front, die zu einem Tief, das bereits NO-lich des Baltikums liegt, gehört:
Morgen So setzt sich Zwischenhocheinfluss durch.
Der Wochenbeginn wird nördl. der Alpen unbeständig und zeitweise feucht, eher sonnig in den Südalpen:
Im weiteren Wochenverlauf befeuert ein Kaltluftausbruch über die Davisstraße auf den NA die atlantische Frontalzone:
Das kräftige Kontinentalhoch blockiert sie und erzwingt eine Austrogung ins Mittelmeer. Über dem NA etabliert sich zwischen dem Azorenhoch und der Tiefdruckstraße, die von Neufundland über Island bis in die Nordsee reicht, ein zonales Zirkulationsmuster (positiver NOAI!). Die atlantischen Luftmassen, die die Ostalpen erreichen, sind nur mäßig kalt und feucht. Meine Erwartung sind nasskalte Verhältnisse in den Niederungen und Neuschnee im Bergland:
Ein Fortbestand dieser zyklonalen, von atlantischen Fronten aus WNW geprägten, GWL bis zum Monatswechsel ist für mich sehr plausibel, aber aufgrund der zeitlichen Ferne nicht in Stein gemeißelt 😉
Lieber Franz,
Danke für deine Analyse. Mich würde interessieren, wie sich der Klimawandel auf die Stabilität des PWs und die Beständigkeit bestimmter Wetterlagen (zB Atlantikströmungen) auswirkt? Inwiefern waren in dem Zusammenhang die relativ strengen Winter, etwa in den 1960er und 1980er Jahren, bedingt durch Kaltluftvorstöße bzw. Major Warmings und Mäandrierung des Jetstreams? Danke für deine Einschätzung.
Servus Lukas,
die Erderwärmung (Klimawandel!) wirkt sich in der der Polarregion viel stärker aus, als in anderen Teilen der Erde. Die Luft hat sich dort speziell in den letzten 30 Jahren am Boden und in hohen Schichten besonders stark erwärmt. Messungen auf der atlantischen Seite in Spitzbergen zeigen eine Erhöhung von ca. 3 K. Dieser rasante Temperaturanstieg hat u.a. eine große Ursache im Abschmelzen des Meereises und die Verstärkung durch Rückkopplungen.
In den mittleren Breiten ist der Temperaturnstieg deutlich geringer ausgefallen. Damit reduziert sich auch der Temperaturgradient zur Polarregion, was wiederum Auswirkungen auf den Jetstream hat. Dieser wird geschwächt und neigt stärker zum Mäandrieren. Dadurch wiederum werden meridionale Zirkulationsmuster begünstigt. Diese neigen zu weniger starken Progression, d.h. Wetterlagen werden beständiger und ändern sich nicht so rasch, wie bei einem starken PW mit zonaler Zirkulation. Meine Wahrnehmung ist es, dass bei uns in ME/Alpenraum durch diese Veränderung häufiger lang anhaltende SW-Lagen auftreten (Trogvorderseite).
Durch den Klimawandel zusammen mit der arktischen Verstärkung dürfte sich auch die atlantische Frontalzone nach N verschoben haben. Tiefdruckgebiete ziehen nördlicher und nicht mehr so häufig ins Mittelmeer. Südliche Westlagen, die früher noch häufiger waren, Schneebringer für die Alpen waren und an ihrer Rückseite Kaltluft angezapft haben, bekommen Seltenheitswert. In den 60-iger und auch 80-iger Jahren waren die Veränderungen der Zirkulation durch den Klimawandel noch nicht so fortgeschritten. Inwieweit damals MW´s aufgetreten sind und die Wetterküche beeinflusst haben, kann ich nicht sagen. Dazu habe ich keine Daten. Die Erforschung von MW´s war damals auch noch am Beginn.
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stabilität des PW ist ein sehr komplexes und mehrschichtiges Thema. Auch die Meeresströmungen spielen ein ehebliche Rolle, z.B die Abschwächung der AMOC, die derzeit medial sehr präsent ist. Das würde aber hier zu weit führen und auch den Rahmen meiner Expertise sprengen.
LG, Franz
Sehr interessant, danke Franz! Die von dir beschriebenen Auswirkungen des KW-bedingten Temperaturanstiegs auf Zirkulationsmuster und Wetterlagen sind in der öffentlichen Debatte kaum Thema – wie du sagst, die Zusammenhänge sind äußerst komplex; allerdings greift die Gleichung KW=Erhöhung der Temperatur= Anstieg der SFG insg. zu kurz und erklärt nur teilweise die relativ milden und NS-armen Winter der vergangenen Jahre (v.a. am Alpenostrand).
Welche öffentliche Debatte meinst du?
Der Haupt-NS im Winter am Alpenostrand wird durch Mittelmeertiefs verursacht, vor allem Vb-Lagen. Diese haben in den letzten Jahren nach meiner Beobachtung abgenommen. Auch in meiner Gegend (Wienerwald, Gutensteiner Alpen) sind die früher oft mehrmals jährlich aufgetretenen Schneefälle in Verbindung mit einem Adriatief selten geworden.
Die Ursache könnte durchaus in der, durch den Temperaturanstieg bedingten, Verlagerung des Jetstreams nach N liegen. Ich habe dazu jedoch noch kein belastbares Datenmaterial gefunden. Mir ist auch aufgefallen, dass Adriatiefs in den letzten Jahren häufiger Vc-Zugbahn einschlagen. Natürlich hängt dies auch von Geopontiental und LD in OE ab.
Stimmt, Vb-Wetterlagen sind in letzen Jahren (zumindest im Winter) seltener aufgetreten. In Bezug auf öffentliche Debatte meinte ich eher die mediale Berichterstattung, die meiner Beobachtung nach die Veränderung von Wetterlagen als Teil des KWs wenig thematisiert (das liegt wohl auch an der Komplexität und Unsicherheit der Zusammenhänger…).