Die wesentlichen Merkmale des vergangenen Winters (Dezember, Jänner, Februar)waren:
deutlich zu mild, turbulent mit Sturmereignissen, wenig Schnee in den Niederungen, vor allem im S und O zu trocken, Berglandwinter ab Ende Jänner nördlich der Alpen.
Die Hauptursache orte ich in einem ungewöhnlich kalten und durch kräftige Zonalwinde zentrierten stratosphärischen PW (Polarwirbel), der sich den gesamten Winter über resistent gegenüber Störungen erwies. Es gab keine SSW´s (sudden stratospheric warming) mit die Auswirkungen/Störungen auf die Zirkulation in der Troposphäre:
Quelle: albany.edu
Damit etablierte sich in der Troposphäre über dem NA (Nordatlantik) vor allem in den Monaten Jänner und Februar eine überwiegend zonal ausgerichteter Jetstream. Lediglich im Frühwinter gab es kurze meridionale Abschnitte. Der NAOI (nordatlantischer Oszillationsindex), der durch den Druckgradienten zwischen Azorenhoch und Islandtief definiert ist, war im Februar auffallend stark positiv, was typisch für stürmische Westwetterlagen ist:
Quelle: NOAA
Die über die Wintermonate gemittelte Geopotentialkarte der NH zeigt, typisch für ein „La Nina“ Ereignis, hohen LD über dem Nordpazifik und eine langgestreckte Tiefdruckzone von Nordkanada über Grönland bis Nordskandinavien und NW-Russland. Südlich davon verläuft der Jetstream, mit dem Fronten und relativ milde atlantische Luftmassen in den Alpenraum gelangten:
Quelle: NOAA
Erst jetzt am Beginn des meteorologischen Frühjahrs kommt Bewegung im Sinne von Störungen in den stratosphärischen PW.
Nachfolgende Grafiken zeigen einen Vertikalschnitt des PW von Mitte 02.2022 (representativ auch für die vorangegangenen Wochen) und Anfang 03/2022. Es ist gut erkennbar, dass sich nun zwei Fragmente von der Stratosphäre bis in die Troposphäre ausgebildet haben. Diese Entwicklung ist auch maßgeblich für den unterkühlten Frühjahrsbeginn verantwortlich:
Quelle: stratobserve.com
Nach dem Klimamonitoring der ZAMG war der Winter 2021/2022 der achtwärmsten Winter der Messgeschichte in den Niederungen, auf den Bergen reichte es zu Platz 22 in der Reihe der wärmsten Winter (bezogen auf das Mittel der letzten 30 Jahre). Der Unterschied ist meiner Meinung nach darin begründet, dass die vorherrschenden zonalen Wetterlagen für eine Durchmischung der Luftschichtung förderlich waren und sich Inversionslagen, die im Winter in den Niederungen für Dauerfrost sorgen, seltener ausbildeten.
Mit dem fortschreitenden menschgemachten Klimawandel werden die Winter immer wärmer:
Die nachfolgenden zwei Karten aus dem Klimamonitoring der ZAMG zeigen die Temperatur- und NS-Abweichung, bezogen auf die Klimaperiode 1981-2010:
Der detaillierte Winterrückblick der ZAMG mit statistischen Auswertungen für gesamt Österreich ist auf der ZAMG-HP nachzulesen.
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Chart mit NS-, max. und min. Temperaturverlauf an meiner Wetterstation in Thenneberg:
Temperaturminimum: -10,9 °C
Temperaturmaximum: +16,7 °C
Winterliche Landschaftsbilder gab es heuer im Oberen Triestingtal nur wenige. In den höheren Lagen der angrenzenden Voralpen (Schneeberg, Göller) wurde der Winter trotz unterdurchschnittlicher Schneemengen zumindest zeitweise seinen Namen gerecht:
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In meiner Winterprognose/-einschätzung ging ich – bezogen auf das neue Klimamittel 1991 bis 2020 – von einem um
0,5°C – 1°C zu milden und insgesamt zu trockenen Winter aus. In der Realität fiel er deutlich milder aus, lediglich das verminderte NS-Aufkommen passt.
Die betrachteten Einflussparameter verhielten sich nicht so, wie von mir erwartet 😉
Wie schon am Beitragsanfang erklärt, führe ich den Temperaturüberschuss auf den über die meiste Zeit des Winters gut ausgeprägten PW und damit die häufigen atlantikgeprägten zonalen oder gemischten Wetterlagen zurück.
Zum Zeitpunkt meiner Winterprognose zu Winterbeginn hätte ich auch erwartet, dass die QBO (quasi binäre Oszillation) stärkere Störungen im stratosphärischen PW bewirkt. Allerdings erwies sich die dafür notwendige und prognostizierte Ostkomponente schlußendlich als viel zu schwach.
Dass es in diesem Winter kein MW (major warming) geben wird, habe ich aufgrund der Vorgeschichte im Spätherbst bereits zu Winterbeginn erwartet. Ein länger andauernden Uralblocking mit Energietransferr in die Stratosphäre konnte sich nicht einstellen.
Lieber Franz!
In Deiner Analyse des abgelaufenen Winters schreibst Du, dass es diesmal kein Major warming geben wird. Heißt das, dass wir in diesem kommenden Frühling mit keinen markanten Kälterückschlägen rechnen müssen? Kanns für (interessierte) Laien einige verständliche Eckpunkte nennen? Vielen Dank, die von Dir gemachten Voraussagen verifizieren sich meist recht präzise und eindrucksvoll.
Vielen Dank
Albert
Servus Albert,
zum Zeitpunkt meiner Winterprognose habe ich vermutet, dass es im meteorologischen Winter(D,J,F) kein MW geben wird und der Winter deshalb ohne knackige Kälteperiode insgesamt deutlich zu mild ausfallen wird.
Kaltlufteinbrüche im Frühjahr kann und wird es trotzdem geben. Das hat nicht zwingend mit einem MW zu tun. In der Stratosphäre erwärmt sich im Frühjahr mit der zunehmenden Sonnenscheindauer der PW bis mit dem sogenannten „final warming“ eine Windumkehr auf O erfolgt. Dieser Vorgang kann, aber muss nicht mit einem „minor oder major warming“ einhergehen.
Auch in der Troposphäre, wo sich unser Wetter abspielt, werden Temperaturunterschiede aufgrund der Sonnenscheindauer im polaren Bereich zwischen der Arktis und den mittleren Breiten geringer. Damit schwächt sich der Jetstream ab und neigt zum Mäandrieren. Verstärkt kann dies durch Kopplung mit der Stratosphäre werden. In den Wellentälern (Tröge) fließt polare Kaltluft weit nach S, in den Wellenbergen (Rücken) wird Warmluft in Richtung Nordpol geführt. Ob uns ein Kaltluftvorstoß mit Frostpotential trifft, wird sich zeigen.
LG, Franz