In einigen meiner letzten Analysebeiträgen habe ich Betrachtungen der Stratosphäre miteinbezogen und auf ein mögliches Major Warming (MW) hingewiesen, das statistisch gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen nachhaltigen Winterabschnitt einleitet.
Vorweg lässt sich mit großer Sicherheit sagen:
es reicht nicht für ein MW und den Zusammenbruch des PW.
Es bleibt bei einem soganannten starken „Minor Warming“, das ebenfalls Impulswirkung auf die Troposphäre ausübt, den Jetstream und damit den PW schwächt. Aber es reicht nicht aus, den PW zu splitten und damit verbunden einen hochwinterlichen Witterungsabschnitt im Alpenraum bis in die Niederungen in die Wege zu leiten.
Vielmehr spricht alles für eine Erhaltungsneigung der vorhandenen unbeständigen und insgesamt zu milden Westwetterlage mit Ausweitungstendenzen ins westliche Mittelmeer und Berglandwinter.
Um ein MW zu identifizieren, wird der Polarwirbel (PW) in ca. 30km Höhe betrachtet. Dieser kühlt sich in den Wintermonaten mangels Sonneneinstrahlung in dieser Höhe auf fast -80°C ab. Die Kaltluftmasse wird von einer starken zirkumpolaren Westwindzirkulation zusammengehalten. Dieses Zirkulationsmuster setzt sich bei intaktem PW bis in die Troposphäre fort, in der unser Wetter stattfindet. Der polare Jetstream in ca. 10km Höhe begrenzt den PW der Troposphäre.
Überwiegt die zonale Zirkulation im Jetstreamniveau, so bedeutet dies, dass die polaren Kaltluftmassen im arktischen Bereich konzentriert bleiben und in den mittleren Breiten gemäßigt milde Temperaturen anzutreffen sind. Wird der PW allerdings gestört, was durch planetarische Wellen aus der Stratosphäre erfolgen kann, beginnt der Jetstream zu mäandrieren und es kommt zu arktischen Kaltluftausbrüchen in die mittleren Breiten.
Bei einem MW in der Stratosphäre handelt es sich um ein Phänomen, das den PW in allen Etagen der Atmosphäre derart in Unordnung bringt, dass er sich teilt oder ganz auflöst. Beobachtungsstudien solcher Ereignisse aus der Vergangenheit (z.B. 2013) zeigen, dass diesem Vorgang mit etwas Verzögerung häufig ein längerer winterlicher Wetterabschnitt über dem nordamerikanischen und europäischen Kontinent folgt.
Um von einem Major Warming zu sprechen, müssen 3 Kriterien in ca. 30km Höhe (10hPa) erfüllt sein:
- Umkehr des mittleren Temperaturgradienten zwischen Pol und 60° nördlicher Breite,
- ein plötzlicher Temperturanstieg von 50 K am Pol innerhalb von 5 Tagen,
- Umkehr des mittleren Zonalwindes der nördlichen Hemisphäre auf östliche Richtung.
In meiner letzen Betrachtung der stratosphären PW-Entwicklung (link) zeigten die Modellrechnungen eine große Wahrscheinlichkeit für ein MW. Ein PW-Split in der Stratosphäre wurde simuliert, der sich dann in weiterer Folge in die Troposphäre hinuntergearbeitet hätte.
Wie es aktuell um den PW der Stratosphäre bestellt ist und welche Auswirkungen ich auf unser Wetter für den weiteren Verlauf des Februar daraus ableite, ist in der folgenden Analyse erklärt:
Die aktuelle Temperaturverteilung der Stratosphäre auf der 10hPa-Fläche zeigt, dass heute, wie schon seit langem berechnet, der Höhepunkt der Erwärmung erreicht ist.
Die ersten beiden, der oben angeführten Kriterien, werden dabei erreicht: Temperaturanstieg um 50 K in 5 Tagen und Umkehr des Temperaturgradienten zwischen Pol und 60° N.
Anders sieht es bei der erforderlichen Zonalwindumkehr aus. Da war die Entwicklung vor einigen Tagen schon nahe dran. Bis auf die nördliche Breite von 70° hat der mittlere Zonalwind auf Ost gedreht (blaue Einfärbung):
Danach hat sich allerdings in den oberen Etagen, auch auf 10hPa, wieder die Westkomponente bis zum Pol durchgesetzt.
Aktuell:
Und daran wird sich auch in Wochenfrist und darüber hinaus nichts ändern:
Quelle: Uni Berlin
Die verhinderte Zonalwindumkehr ist darin begründet, dass sich der PW in der Stratosphäre entgegen der Berechnungen am 30.1.2016 nicht splitten lässt, sondern nur abdrängt wird (PW-displacment).
Berechnung für kommendes Wochende/13.2.2016:
Das Warming beginnt sich abzuschwächen. Dabei verlagert sich die Warmluftblase in Richtung Kanada, während der PW mit der Kaltluft über Skandinavien/NW-Russland zu liegen kommt.
Die Auswirkung auf die Troposphäre und damit auf unser Wetter wird unter der Luftmassengrenze (strichliert) deutlich sichtbar.
Unter der Warmluftblase (oberes Bild) hat sich über der Beaufort Sea hoher Luftdruck, der vom Aleutentief gestützt wird etabliert. An dessen Ostflanke wird das ostsibirische Kaltluftreservoir angezapft und mit der Zirkulation um das Hochdruckgebiet wird der Kaltluftstrom über den Pol hinweg nach NO-Kanada in Gang gesetzt bzw. aufrecht erhalten. In weiterer Folge gelangen diese Luftmassen bei Neufundland auf den Atlantik und feuern dort die Tiefdruckentwicklung an. Die seit Ende Jänner vorherrschende zonale Westwetterlage findet somit seine Fortsetzung. Ich erwarte eine anhaltende Erhaltungsneigung dieser großräumigen Zirkulation, sodass sich auch in der gesamten zweiten Februardekade mit großer Wahrscheinlichkeit nichts Wesentliches ändern wird.
Einzig eine Verlagerung der Frontalzone nach Süden deutet sich an.
Über Europa kommt es durch das entstandene markante Kontinentalhoch zu einer Blockade der Frontalzone. Die Fronten werden entweder nach NO in Richtung Skandinavien bzw. ins Mittelmeer abgelenkt. Zweiteres bedeutet, dass über dem Golf von Genua immer wieder Tiefdruckentwicklungen zu erwarten sind, die von Süden Stauniederschläge bringen. Auch Vb-Entwicklungen sind ein mögliches Szenario.
Da sämtliche winterlichen Kaltluftmassen über Nordamerika und Ostsibirien konzentriert bleiben, kann sich in den Alpen nur in höheren Lagen der Winter etablieren.
Auch eine Umstellung auf eine NO-Anströmung bei allfälligen Vb-Entwicklungen würde aufgrund der für die Jahreszeit viel zu warmen Luftmasse über Russland keinen Winter in den Niederungen bringen.
Die Chancen auf ein winterliches Intermezzo bis in die Niederungen besteht nur darin, dass ein Aufsteilen des Azorenhochs über dem Nordatlantik kurzzeitig aus Norden gemäßigte Polarluft zu den Alpen führt und vorübergehende Schneeschauer bis ins Flachland bringt.
Eine nachhaltige Blockade des Atlantiks durch einen Azorenhochkeil halte ich für unwahrscheinlich. Durch die große Dynamik wird jede Aufwölbung rasch überlaufen, sodass bei uns insgesamt die Westkomponente (strichlierte Linie) vorherrschend bleibt. Der zyklonal geprägte Wechsel von warm-kalt mit Berglandwinter geht also in die nächste Runde.
Auch wenn in den erweiterten Mittelfristrechnungen des amerikanischen Modells GFS weitere Wärmeimpulse in der Stratosphäre mit Potential für ein MW angedeutet werden, die Auswirkungen in der Troposphäre würden erst im März ankommen. Dies ist aber aufgrud der fortgeschrittenen Jahreszeit und des hohen Sonnenstandes zu spät für anhaltenden Winter im Flachland.
Vielmehr vermute ich, dass die berechnete Erwärmung eine natürliche Folge des zunehmenden Sonnenstandes ist und die jährliche Vorbereitung auf das „final Warming“ spiegelt.
Dabei kommt es in den Monaten März/April zu einer schrittweisen langsamen Erwärmung der Stratosphäre oberhalb 100hPa, das entspricht ca. 18km Höhe.
Der PW bricht bis Mai in diesen Etagen völlig zusammen, die sommerliche Ostwindzirkulation etabliert sich.