—————————————–TRUSTED SPOTTER NETWORK Workshop————————————–
Termin: 31.01.2015; 28.03.2015
Ort: ZAMG/Wien Hohe Warte; ZAMG/Graz
Thema: Eisbruch am Hocheck 26.11.2014 – 04.12.2014
Summary
Im vergangenen Jahr 2014 war unser Wetter geprägt von einer recht hartnäckigen Erhaltungsneigung der Atmosphäre. D. h. eingefahrene Zirkulationsmuster wurden zwar mehrmals kurzzeitig unterbrochen, bald aber wieder hergestellt.
Die wetterbestimmenden Druckgebilde der resultierenden GWL (Großwetterlage) waren ein mächtiges Kontinentalhoch und atlantische Tiefdruckgebiete, deren Progression vor oder über Westeuropa blockiert wurde, amplifizierten und ins Mittelmeer abtropften. Entweder über die iberische Halbinsel ins westl. Mittelmeer oder über die Alpen weiter östlich (Sommer 2014, GONZALO). Das entstandene Cutoff verursachte Föhn an der Alpennordseite und intensive Niederschläge im Südstau und bodennahe SO-Strömung am Alpenostrand mit meist feuchter Grundschicht.
Im betrachteten Zeitraum von 26.11.2014 – 04.12.2014 verursachte diese Entwicklung weitreichende Schäden:
Sturzfluten an der Côte d’Azur, Hochwasser Italien, kleinräumige enorme Schäden an Wäldern und Infrastruktur bei uns durch starker Raueisbildung in der feuchten Grundschicht (700 m-1200 m) und nachfolgendem gefrierenden Regen.
Massiv betroffen waren Rosalia über Bucklige Welt, Hohe Wand, nördl. Gutensteiner Alpen (Hocheck), südl. Wienerwald (Peilstein, Schöpfl) bis ins Waldviertel.
In meiner Fallstudie werde ich die Ausgangs-GWL und die nachfolgende Entwicklung schrittweise anhand von Karten erläutern und gleichzeitig mit Bildern in chronologischer Reihenfolge die Auswirkungen am Hocheck dokumentieren.
Quellenverweise
Karten: ECWMF von meteociel.fr; Infrarot/Bodendruck von ZAMG; Meteogramm von wetterzentrale.de
Soudings: weather.uwyo.edu/wyoming/
Fotos: Franz Zeiler/Skywarn
Ausgangswetterlage
Das mächtige Kontinentalhoch ROBIN reicht mit seinem Einflussbereich bis weit nach Europa.
Die glatte atlantische Frontalzone wird über dem Ostatlantik blockiert und weit nach Süden abgelenkt.
Vor der europäischen Atlantikküste entsteht ein Langwellentrog:
Entlang des Alpenostrandes und im Wald-/Weinviertel liegt zäher Nebel. In der feuchten Grundschicht herrschen negative Temperaturen zwischen 700m und der Nebelobergrenze. Verantwortlich dafür sind kühlere kontinentale Luftmassen, die im Randbereich des Hochs in die SO-Strömung miteinbezogen werden. Darüber markante Inversion und trockene Luftmasse:
Diese Luftschichtung erweist sich bis zum Monatsende als äußerst beständig.
Die feuchtkühle Grundschicht und die die warme trockene Luftmasse darüber bleiben entkoppelt, es kommt zu keiner Durchmischung.
Weitere Entwicklung anhand von Wetterkarten und Bildern
————————————— Fortschreitende Raueisbildung————————–
Zur Bildung von Raueis braucht es zwei Zutaten: einstellige Minusgrade und Nebel. Dieser besteht aus feinsten Wassertröpfchen, die durch Kondensation des Wasserdampfes entstehen, wenn durch Abkühlung bis zum Taupunkt eine Sättigung der Luft erreicht wird. Diese gefrieren bei Tmperaturen unter 0° an festen Gegenständen (z.B. Bäume ). Es entstehen dabei feste Ablagerungen, die gegen den Wind anwachsen. Durch Lufteinschlüsse erscheint Raueis weiß-grau.
Von Raureif spricht man, wenn die Temperatur unter -8° liegt und der gasförmige Wasserdampf durch Resublimation direkt in den festen Aggregatzustand (Eis) wechselt. Typisch für seine Struktur sind feine, zerbrechliche, nadelförmig Eiskristalle, wie sie auch bei Schneeflocken auftreten.
27.11.2014
Vertiefung und langsame Progression des Atlantiktroges mit Amplifizierung über die iberische Halbinsel hinweg bis Algerien.
In der Höhe intensiviert sich an seiner Vorderseite die Zufuhr trockener Warmluft zu den Alpen.
Flacher Südstau, Föhn alpennordseitig, Sonne auf den Bergen, Nebel an den Alpenrändern im Norden und Osten bestimmen den Wettercharakter in Österreich:
28.11.2014 Reisalpe
extrem dichter Nebel in der Grundschicht, Nullgradgrenze am Boden (400m), Inversion in ca. 1200m
Glasklare trockene Warmluft oberhalb des Nebels
29.11.2014 zurück am Hochek
Das Ausmaß des Raueisbelages an Bäumen erlaubt ab diesem Zeitpunkt die Begehung der Wälder nicht mehr !!!!!!!!!!!!!!
30.11.2014
Der Cutoff-Prozess ist abgeschlossen, Tief XANDRA wandert langsam ins westliche Mittelmeer und steuert auch in der Höhe zunehmend feucht Luftmassen an die Alpen:
Das Gewicht des vor allem in ost- bis südexponierten Bereichen an den vorangegangenen Tagen angewachsenen Raueisbelages führt zu den ersten Bruchschäden in den Wäldern:
————————————- Gefrierender Regen ———————————–
01.12.2014
XANDRA liegt über den Balearen:
Eine zugehörige Warmfront hat mit Niederschlägen von Süden auf die Ostalpen übergegriffen:
Bis einen Tag vor eintreffen der Warmfrontniederschläge gab es in den Medien und bei den Wetterdiensten großes Rätselraten über den Aggregatzustand des Niederschlages am Boden. Die Modellkarten simulierten auf der 850hPa Ebene knapp über 0°, darunter in der Grundschicht herrschten negative Temperaturen, darüber eine schwer erfassbare Schichtung. Alles schien möglich?
Das Meteogramm der freien Atmosphäre für Wien zeigte eine Warmluftblase bis 3000m und beendete die Ungewissheit:
Eine Bestätigung erfolgt durch das Sounding:
Beginn der katastrophalen Eisbruchschäden nach Einsetzen des Regens:
02.12.2014:
Eine Begehung der Wälder zu diesem Zeitpunkt war nicht möglich. Mit Ortskenntnis konnte ich allerdings mit beherrschbarem Risiko entlang von Waldrändern, über Kahlschläge und über einen Rücken im Lee (NW-Seite), wo weitaus geringerer Raueisbildung anzutreffen war, auf den Gipfel des Hocheck gelangen.
Die nachfolgende Bildserie dokumentiert das bizarre Erscheinungsbild nach dem gefrierenden Regen.
Klareis ab 500m und faszinierende und zugleich gefährliche Raueisausformungen in den höheren Lagen:
Durch den Regeneintrag in den Raueisbelag entstanden oberhalb 700m dicke und schwere Eispanzer mit bizarren Formen:
Weidezäune
Gipfelbereich
Sendemasten mit Befestigungsseil
Warte
———————————Tauwetter und Entspannung —————————————-
04.12.2014
Das Mittelmeertief ist über Griechenland nach Osten abgezogen. Kurzes Zwischenhoch mit Erwärmung in den unteren Luftschichten vor der Annäherung des nächsten Mittelmeertiefs:
Zahllose entwurzelte und gebrochene Bäume
——————- Weitere Schadensbilder bei späteren Begehungen——————-
Schadholzmenge in NÖ: 400 000 Festmeter (Quelle Landwitschaftskammer)
Betroffene Baumarten (gebietsabhängig): 40% Laubholz, 60% Nadelholz
Schadensart: Stammbruch, Entwurzelung, Astbruch, Wipfelbruch
Bevorzugte Bereiche: Waldränder, Ost- bis Südexpositionen, durchforstete weniger dichte Waldbestände
—————————–Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und das Interesse————————-