Am 22.12.2014 um 00:03 ist astronomischer Winterbeginn. Kalendarisch dauert er dann bis 20.03.2015, 23:45.
Viel interessanter ist aber derzeit die Frage: wann wird der Winter endlich seinem Namen gerecht?
Heute möchte ich
– ausgehend von der aktuellen Druckkonstellation der nördlichen Hemisphäre die bevorstehende Entwicklung analysieren,
– die vorliegenden Updates der Winterprognosen von ZAMG und CPC zitieren,
– meine Winterprognose vom 10.11.2014 aufgrund der aktuellen Erkenntnisse bewerten und gegebenenfalls anpassen.
1. Aktueller Zustand von Tropos-/Stratosphäre und Mittelfristentwicklung
Ein gestärkter Polarwirbel und eine über dem Atlantik stark ausgeprägte glatte Frontalzone bewirken aktuell in ME ungewöhnlich mildes Westwindwetter.
Karten mit aktueller Druck-und Temperaturverteilung:
Eine Umstellung dieser GWL und damit der Zirkulation bahnt sich, wie in meiner Analyse vom 17.12.2014 behandelt, zu den Weihnachtsfeiertagen durch Austrogung und Zyklogenese über dem östlichen nordamerikanischen Kontinent an. Als Folge entsteht durch Warmluftadvektion eine Aufkeilung am Atlantik und als Gegenströmung ein Downstream-Development über Europa. Sogar ein Split des Polarwirbels rückt in den Bereich der Möglichkeit.
Exemplarisch Karten mit Druck-und Temperaturverteilung gegen Jahresende:
Ich sei darauf hingewiesen, dass es für die exakte Position des Troges östlich des Atlantikblocks aufgrund der zeitlichen Ferne noch Spielraum gibt. Die Entwicklung zu einer meridionalen Zirkulation wird aber offensichtlich.
Eine Etage höher in der Stratosphäre bildet sich ein minor warming aus. Der noch schön zentrierte Polarwirbel (links) wird durch Erwärmung über dem asiatischen Kontinent in ca. 25km geschwächt:
Die Auswirkungen nach unten auf die Troposphäre sollten mit einer Verzögerung von 2 ist 3 Wochen die Schwächung des troposphärischen Polarwirbels begünstigen.
2. Langfristprognosen ZAMG/CPC
Die ZAMG rechnet zu 50% mit einem zu warmen Dezember und Jänner und einer Tendenz in Richtung durchschnittlicher Temperatur im Februar:
Quelle: ZAMG
Das amerikanische Climate Prediction Center mit Prognose der Temperatur- und Niederschlagsabweichug für Jänner-März prognostiziert im Mittel um 1°K zu warm und nach Westen zu überdurchschnittliche Niederschlagsmengen:
Quelle: CPC
3. QBO/ElNino/SAI/OPI
Wie in meiner Winterprognose vom 10.11.2014 erklärt, stehen die genannten Wetterparameter in Korellationsbeziehung mit der arktischen Oszillation (AO) in den Wintermonaten.
Der AOI (arktische Oszillationsindex) ist ein Maß für die Stärke der Luftdruckgegensätze über dem Pol und den mittleren Breiten.
Ein positiver/hoher AOI geht in Mitteleuropa in den Wintermonaten in der Regel mit milden zonalen Wetterlagen, so wie aktuell, einher. Kaltluftausbrüche nach Süden werden durch einen starken Jetstream verhindert.
Ein negativer/niedriger AOI ist ein Indikator für einen geschwächten Polarwirbel, bei dem die Wahrscheinlichkeit für meridionale Wetterlagen mit Kaltluftvorstößen in die mittleren Breiten stark zunimmt. Dabei nimmt auch für ME die Wahrscheinlichkeit für winterliche Wetterabschnitte zu.
Der aktuelle AOI ist sehr hoch, was typisch für das derzeitig milde Westwetter ist. Seine Prognose bis zum Jahresende lässt eine deutliche Schwächung des Polarwirbels mit einem Wechsel der Zirkulation erwarten:
Derzeit befindet sich die QBO (Quasi Bienall Oszillation) in der Ostphase, was für eine Schwächung der AO spricht.
Das prognostizierte schwache/mittlere El Nino-Ereignis ist bereits eingetreten. Das damit einhergehende überdurchschnittlich warme Oberflächenwasser im östlichen Pazifik . Diese Phänomen hat nicht nur gravierende Auswirkungen in den (sub-)tropischen Breiten der gesamten Erde, sondern es wurde auch eine Fernwirkung auf die AO und damit auf unsere winterliche Zirkulation nachgewiesen.
In El Nino Jahren herrscht im Frühwinter (Dezember) häufig eine positive AO, gleichzeitig niedrigerer Druck im Bereich Südgrönland – Island, höherer Druck bei den Azoren. Die Folge ist ebenso eine positive NAO (nordatlantische Oszillation) mit Westwindwetter bis ME. Im Jänner erfolgt dann häufig die Umkehrung.
Die Indikatoren für die Schneebedeckung in Eurasien (Skandinavien bis Sibirien) sprechen heuer auch ganz klar für einen schwache AO.
Die Auswertung des OPI(october pattern index) wurde vom Wissenschaftler Judah Cohen Mitte 11/2014 veröffentlicht.
Nach dem zugrunde liegenden Modell hat der stark negative Wert von -2,12 eine deutliche Schwächung des Polarwirbels im Hochwinter zur Folge, begleitet von den oben erwähnten besseren Winterchancen für ME.
In dieselbe Richtung tendiert das Ergebnis des SAI (snow advanced index) , ein Maß für die Ausbreitugsgeschwindigkeit und schlußendlich Gesamtschneebedeckung in Sibirien vor Winterbeginn; ebenfalls von Judah Cohen. Heuer wurde die höchste Ausbreitung seit 1976 registriert.
Zur Verdeutlichung sei im folgenden Bild die Wirkung der sibirischen Scheedeckenausdehnung af unsere Wintermonate vereinfacht dargestellt:
Quelle: Judah Cohen
Zur Erklärung möchte ich die Entwicklungsschritte mit den Auswirkungen auf die Zirkulation in den einzelnen Monaten durchgehen. Dabei beschränke ich mich auf die heurige Ausgangslage mit einer hohen Schneebedeckung (rechte Spalte), deren Ursache zumindest teilweise auf die starke Eisschmelze im sibirischen Polarmeer zurückgeführt wird:
Oktober: breitet sich mit starkem Schneefall die Schneedecke früh weit nach Süden aus, so begünstigt die Rückstrahlwirkung des Schnees (Albedoeffekt) ein frühes Auskühlen des sibirischen Kontinents den Aufbau eines besonders starken Kältehochs.
Das Sibirische Hoch wiederum ist ein wesentlicher Bestandteil unseres winterlichen Klimas. Ein starkes Sibirienhoch kann unter günstigen Wetterlagen kontinentale Polarluft nach Westen bis Mittel- und Westeuropa transportieren und markante Kältewellen verursachen.
November: das Sibirische Hoch zwingt den polaren Jet in der Troposphäre zum Mäandrieren, was zu Wärmeaustausch zwischen Pol und mittleren Breiten führt (vertical wave propagation).
Dezember: der Polarwirbel in den höheren Luftschichten, also der Stratosphäre, schwächt sich als Folge ab. Es kommt zur Ausbildung von (minor oder major) warmings.
Jänner: die aus der Stratosphärenerwärmung resultierenden Anomalien wandern zurück in die Troposphäre und führen zu einer Schwächung (minor warming) oder dem Zusammenbruch (major warming) des Polarwirbels und damit zu einer negativen AO.
Februar: die negative AO auch in der Troposphäre begüstigt weiterhin den Ausbruch polarer Luftmassen weit nach Süden bis ME.
Ein geschwächter Polarwirbel mit negativer AO führt nun dazu, dass polare Luft nicht durch einen starken zonal ausgerichteten polaren Jet weit im Norden begrenzt wird, sondern entweder in Wellenformen weit nach Süden ausgreift oder im Falle einer totalen Zirkulationsumkehr flächig nach Süden vordringt.
Erst dadurch ist die Chance auf einen kalten Winter in Europa gegeben, weil sich die polare Kälte unbeeinflusst von der Begrenzung durch den Polarjet ausbreiten kann.
Aktuell befinden wir uns am Ende der zweiten Dezemberdekade. Die Wechselwirkungen zwischen der vorwinterlichen Schneedeckenausdehnung, mit den Maßzahlen OI und SAI, korellieren nach der beschriebenen Theorie erst im Hoch- und Spätwinter (Jänner/Feber/März) mit winterlichem Wetter in ME.
Somit ist es aufgrund des bisher recht milden und schneearmen Dezembers noch zu früh, von einem milden Winter auszugehen. Denn der Dezember passt in das Bild des beschriebenen Modells.
4. Persönliches Resümee………..
…………mit kleinen Anpassungen meiner Winterprognose vom 10.11.2014, die ich damals wie folgt zusammenfasste:
Konkret erwarte ich mir für den Frühwinter noch ein leicht überdurchschnittliches Temperaturniveau mit einem Wechsel von Kaltlufteinrüchen und mildem Atlantikwetter. Es wird einige Anläufe benötigen, bis die Erhaltungsneigung nachhaltig gebrochen ist.
Im Hochwinter erwarte ich ein unterdurchschnittliches Temperaturniveau. Dank schwachem Polarwirbel wird das sibirische Kältehoch seinen Einfluss zeitweise bis Skandinavien ausdehnen, den Atlantik blockieren und die atlantische Frontalzone ins Mittlmeer abdrängen (Ws/südl. Westlage). Als Folge kommt es zu vermehrter Tiefdrucktätigkeit im Mittelmeer, Niederschläge als Schnee von Süden und kontinentale Kaltluftzufuhr von Osten.
In meiner heutigen Bewertung habe ich neben dem aktuellen Atmosphärenzustand, die genannten Saisonprognosen und in Kapitel 3 aufgelisteten und behandelten Einflußgrößen zu Grunde gelegt. Jene Einflussgrößen aus meiner letzten Prognose, die mir keine klaren Erkenntnisse in eine bestimmte Richtung lieferten, habe ich nicht mehr angeführt.
Zusammenfassend bleibe ich im Wesentlichen bei meiner Einschätzung und erwarte im Gegensatz zu den zitierten Prognosen der ZAMG und CPC einen Hoch- und Spätwinter mit unterdurchschnittlichen Temperaturniveau inklusive nennenswerter Schneefälle.
Kein Kaltwinter, aber ein Winter, der seinen Namen verdient.
Meine Begründung für diese Einschätzung an:
– Die Erhaltungsneigung mit blockierenden Kontinentalhoch wurde Anfang Dezember nachhaltig gebrochen. Die Umstellung auf zonale Zirkulation (Westwindwetter) hat die Karten neu gemischt. Der Polarwirbel wird in den Mittelfristsimulationen wieder geschwächt (negativer AOI), was in weiterer Folge zu einer meridionalen Wellenmuster führt. Eine Voraussetzung für polare Kaltluftvorstöße.
– Das eingangs beschriebene warming in der Stratosphäre ist ein Indiz für eine weitere Schwächung des Polarwirbels und damit der AO.
– Die in Kapitel 3 behandelten Einflussgrößen lassen ebenfalls eine Schwächung des Polarwirbels und eine negative AO erwarten. Da sie in die gleiche Richtung wirken, sollten sich daher den Effekt noch verstärken.
Hallo 🙂
Mir gefallen deine Wetterprognosen sehr gut, da du auch beschreibst wieso die folgenden Wintermonate so werden. (was bei der Zamg oder beim CFSv2 nicht der Fall ist).
Als ich deine Website durchstöbert habe, habe ich gemerkt, dass ich die gleiche Wetterbegeisterung habe wie du. Extreme Wetterereignisse wie starke Gewitter, Hochwasser und vor allem wahnsinnige Schneemassen begeistern mich und geben mir sogar einen richtigen Adrenalinkick.
Mich zieht es auch magisch auf die Berge. Meine geographischen Voraussetzungen sprechen auch dafür. (Bucklige Welt/Wechselgebiet)
Das aktuelle Wetter gefält mir überhaupt nicht und ich ärgere mich auch sehr darüber. Ich hoffe, das das Wetter so eintrifft wie es du vorhersagst.
Schön wäre es wenn es wieder so schneereiche Winter wie früher gäbe, wie es bei meinen Eltern und Großeltern der Fall war) 1-2 m Schnee waren bei uns früher keine Seltenheit.
Sind solche Wetterereignisse mit massenhaft an Schnee noch möglich bzw wie sieht das in der Zukunft aus?
Abschließend habe ich noch eine Frage:
Wie hast du dir dein ganzes Wetterwissen angeeignet???
mfg
Stefan
Servus Stefan,
ich denke schon, dass es trotz Klimawandels auch in nächster Zukunft wieder Winter mit Schneemassen geben wird. Eventuell ein paar hundert Höhenmeter nach oben verschoben. Natürliche Schwankungen in der nordatlantischen Oszillation haben auch in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Winterausprägungen geführt und das wird auch in Zukunft so sein. Der Winter 2013 war zwar nicht extrem kalt, aber z.b. in den NÖ-Voralpen überdurchschittlich schneereich von Jänner bis anfang April. Am Schneeberg etwa lag soviel Schnee, wie seit 1996 nicht mehr. 2006 gab es bei uns auch ordentliche Schneemassen.
Zu deiner Frage: Als Bergsteiger habe ich das Wetter schon immer interessiert beobachtet und bei Tourenplanungen mit einbezogen. Ein Grundverständnis war also vorhanden. Aber erst vor drei Jahren begann ich mich fachlich mit Meteorologie (vor allem Synoptik und Zirkulation der nördlichen Hemisphäre) auseinanderzusetzen. Meine Informationsquellen sind Internet und ein paar Fachbücher. Vor zwei Jahren habe ich durch meine Skywarn-Mitgliedschaft auch (Hobby-)Meteorologen als Diskussionspartner gefunden.
Mein Mathematik/Informatik-Studium war für das Verständnis der atmosphärischen Prozesse sicher von Vorteil.
Viele Grüße, Franz